5. Februar 2021
Kurze Darstellung des methodischen Vorgehens Vorliegende Umfrageauswertung zielt vor allem auf die Darstellung eines Stimmungsbildes ab und entspricht daher nicht allen Kriterien einer wissenschaftlichen Forschung. Dies ist vor allem auch dem Anspruch geschuldet, dass die Ergebnisse aufgrund ihrer Aktualität und politischen Brisanz möglichst zeitnah zur Datenerhebung vorliegen sollten. Die Umfrage wurde mittels eines Onlinefragebogens im Zeitraum zwischen dem 09.09.2020 und dem 11.10.2020 (auch anonym möglich) erhoben. Die Einladung zur Teilnahme an der Umfrage wurde an Kinderbildungs- und betreuungseinrichtungen in Tirol und alle BEB Tirol Mitglieder ausge- schickt, sowie über soziale Netzwerke geteilt. Sie bestand aus offenen Fragen zum derzeitigen Erle- ben, den größten Herausforderungen und Verbesserungsvorschlägen, sowie geschlossenen Fragen zum Arbeitsplatz (Berufsgruppe, Trägerschaft der Einrichtung, Größe der Einrichtung, politischer Bezirk). Die Fragen der Onlineumfrage 1. Wie geht es dir mit der aktuellen Situation? Was bedeutet Sie für dich und deine Arbeit? 2. Was siehst du zurzeit als die größte Herausforderung? 3. Welche Maßnahmen der Landesregierung wurden in deiner Einrichtung bereits umgesetzt und welche wären weiterhin sinnvoll? 4. Welche Maßnahmen wurden gefordert, sind jedoch kaum bis gar nicht umsetzbar und warum? 5. Was könnte aus deiner Sicht eine Verbesserung bringen? 6. Ich arbeite zurzeit als …? 7. Wer ist Träger der Bildungs- und Betreuungseinrichtung (z.B. Gemeinde, privater Träger, ...) 8. Die Einrichtung umfasst: 9. Die Einrichtung befindet sich im Bezirk:… 10. Was ich noch loswerden möchte... Kontextinformationen zu den erhobenen Daten An der Umfrage von BEB-Tirol haben Elementarpädagoginnen und Assistenzkräfte, die in Kinder- krippen, Kindergärten und Horten arbeiten teilgenommen. Auffallend ist, dass mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen PädagogInnen in einer Leitungsposition (52%) sind. TRÄGER Private Träger 29% Gemeinde 71% Die Erhalter der Einrichtungen sind sowohl private Träger (29%) als auch Gemeinden (71%). 36% der TeilnehmerInnen sind in ein- bzw. zweigruppigen Einrichtungen, 30% in drei- bis viergrup- pigen Einrichtungen und 28% in fünf- bis neungruppigen Einrichtungen beschäftigt. (6% gaben dazu keine Information). keine Angabe 7% BEZIRKE Reutte/Landeck/ Imst 12% Schwaz/ Kufstein/ Kitzbühel 35% Innsbruck/ Innsbruck Land 46% 46% der Befragten arbeiten in den Bezirken Innsbruck und Innsbruck-Land, 35% in den Bezirken Schwaz, Kufstein und Kitzbühel sowie 12% in den Bezirken Reutte, Landeck und Imst. 7 % haben keinen genauen Arbeitsort angegeben. Detaillierte Darstellung der Ergebnisse Generell zeigt die Auswertung der Studie, dass von 75% der TeilnehmerInnen die aktuelle Arbeits- situation in Verbindung mit den derzeitigen Maßnahmen bzgl. der Corona-Pandemie als belastend wahrgenommen wird. Die TeilnehmerInnen gaben an, dass vor allem die allgemeine Unsicherheit bei Kindern, Eltern und im Team, als auch der entstandene Mehraufwand bei gleichbleibenden Arbeits- zeiten eine große Belastung darstellt. TeilnehmerInnen: gut schaffbar 25% Belastend 75% Belastend gut schaffbar Als besonders herausfordernd beschreiben die TeilnehmerInnen das Einhalten der aktuellen Sicher- heitsempfehlungen in Berücksichtigung auf die kindliche Entwicklung und die Bedürfnisse der Kin- der. Viele TeilnehmerInnen gaben an, den Kindern einen möglichst geregelten und angstfreien Alltag bieten zu wollen, jedoch sei dies unter den gegeben Umstanden nur erschwert möglich. Auffallend dabei ist, dass 71% der Befragten, die die Balance zwischen den Sicherheitsmaßnahmen und der kindlichen Bedürfnisse als eine Herausforderung sehen, in Einrichtungen mit mehr als zwei Gruppen arbeiten. Auch der Kontakt zu den Eltern sei, gerade in der aktuellen Zeit der Eingewöhnung neuer Kinder, seltener und weniger intensiv möglich, was die Zusammenarbeit und die Bildungspartnerschaft zwi- schen Eltern und den Einrichtungen gefährdet. Zusätzlich werden konkrete Fragen der TeilnehmerInnen formuliert, beispielsweise welche Maßnah- men in der jetzt beginnenden „Schnupfenzeit“ angebracht seien. Dies verunsichere viele elementar- pädagogische Fachkräfte. Dabei kritisieren vor allem die PädagogInnen in Leitungspositionen den ständigen Balanceakt zwischen der Verantwortung für die Gesundheit des Teams und der Kinder und die aktuelle, vermehrt angespannte Situation für die Eltern und Abläufe. Der Großteil der TeilnehmerInnen fühlt sich mit unklaren, sich ständig verändernden und vor allem praxisfernen Empfehlungen sowie mit einer großen Verantwortung im Stich gelassen. Besonders häufig kritisiert an den aktuellen Empfehlungen wurde, dass es unmöglich sei, auf einen Abstand zwischen den Kindern bzw. zwischen Kindern und dem Personal zu achten. Zudem sei dies auch mit dem Blick auf eine gesunde kindliche Entwicklung und der damit verbundenen notwendigen Nähe und Bekundung von Zuneigung zwischen Bezugsperson und Kind nicht praktizierbar. Pädago- gisch wertvolle Arbeit erfordert physische Nähe zwischen den Handelnden. Dazu gehört auch Kom- munikation auf Augenhöhe. Sich jedes Mal danach das Gesicht zu waschen ist auf Grund der zu leistenden Aufsichtspflicht und dem geringen Personaleinsatz nicht möglich. Auch das Desinfizieren von Spielmaterialien nach jedem Gebrauch ist in der Praxis nicht durchführ- bar, so die TeilnehmerInnen. Das Arbeiten mit Mund-Nasenschutz sehen die Befragten als sehr bedenklich, gerade während der Eingewöhnungszeit neuer Kinder zeigen diese vermehrt ein ängstliches Verhalten, bzw. ist das Tra- gen eines Mund-Nasenschutzes für die sprachliche als auch die emotionale Entwicklung von Nach- teil, da die Kinder Mimik nur erschwert erkennen und richtig deuten können. Einige TeilnehmerInnen sind auch im Hinblick auf die Entwicklung der Selbstständigkeit der Kinder sehr besorgt, da durch die Einhaltung der Hygieneempfehlungen Handlungen vom Personal über- nommen werden, die zuvor die Kinder selbst ausführen konnten. Jedoch geben, ohne spezielle Nachfrage, mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen an, dass in ihrer Einrichtung die Hygieneempfehlungen grundsätzlich umgesetzt werden. Viele Befragte stellen klar, dass auch schon zuvor Hygienerichtlinien in ihren Einrichtungen bestanden haben. Weiterhin auf Hygiene verstärkt zu achten, regelmäßiges Händewaschen im Alltag einzubauen, vermehrtes Lüften, das Tragen eines Mund-Nasenschutzes im Kontakt mit den Eltern oder anderen Abholberechtigten sowie mehr Zeit im Freien gab die Mehrheit der Befragten als sinnvolle und auch umsetzbare Maß- nahmen an. Die fehlende Wertschätzung dem Berufstand gegenüber sei in dieser Zeit noch einmal deutlicher geworden, so viele der TeilnehmerInnen. Auch wenn dies schon vor „Coronazeiten“ an Hand der zu geringen Bezahlung, der unrealistischen Verteilung von Kinder- und Vor-/ Nachbereitungsstunden und vor allem dem Wechsel der Elementarbildung in Tirol aus der Abteilung „Bildung“ in die Abtei- lung „Arbeit und Gesellschaft“ deutlich zu spüren war. Der Großteil der Herausforderungen an PädagogInnen, Assistenz- und Stützkräfte, ist mit den aktu- ellen Rahmenbedingungen nicht möglich. Manche Befragte berichten, dass es in ihrer Einrichtung an Platz und Räumlichkeiten fehle bzw. der nötige Außenbereich, um die Zeit im Freien zu erhöhen. Viele der TeilnehmerInnen beklagen einen schon länger bestehenden Personalmangel, der ein Arbeiten in Kleingruppen bzw. das Arbeiten ohne Durchmischen von Gruppen unmöglich mache. Eine zusätzliche Angst diesbezüglich wird oft in Be- zug auf die erst noch kommende Erkältungszeit, die auch in anderen Jahren beim Personal für Eng- pässe gesorgt hat, geäußert. Verbesserungsvorschläge und Forderungen Konkret wünschen sich etwa die Hälfte der PädagogInnen und Assistenzkräfte ein neues praxistaug- liches Konzept, in dem Maßnahmen festgelegt sind, die in den Einrichtungen umgesetzt werden kön- nen. Um weitere Verbesserungen schaffen zu können, ist ein erhöhtes Budget für den elementaren Bildungsbereich unumgänglich! So bräuchte es Lösungen, um das pädagogische Personal zu entlas- ten und Personalmangel vorzubeugen. Die Einrichtungen benötigen eine finanzielle Grundlage, um mehr Personal einstellen, gerecht zu bezahlen und folglich mit mehr als dem Mindestpersonaleinsatz arbeiten zu können. Nur so können qualitätsvolle Angebote ohne das Durchmischen von Gruppen und kleinere Anzahlen an Kindern in Angeboten gewährleistet werden. Auch die Forderung, die Gruppengröße allgemein zu verringern wird vermehrt genannt, jedoch ist den TeilnehmerInnen klar, dass diese Maßnahme ein längerer Prozess ist, der nicht sofort umgesetzt werden kann. Damit Kinder mit Erkältungssymptomen häufiger häuslich betreut werden, braucht es vor allem kon- krete finanzielle bzw. arbeitsschutzrechtliche Unterstützung der Eltern. Viele TeilnehmerInnen be- richten von einem enormen Druck auf die Erziehungsberechtigten, was dazu führt, dass auch kranke Kinder in den Einrichtungen betreut werden sollen. Besonders häufig wird damit pädagogisches Fachpersonal in Kinderkrippen konfrontiert. Aber auch PädagogInnen aus Kindergärten schreiben über Diskussionen mit Eltern erkälteter und kranker Kinder, welche das Kind aus arbeitstechnischen und finanziellen Gründen nicht zu Hause lassen könnten. Kränkelnde Kinder zu Hause zu lassen, sei oft für die Eltern nicht machbar, so die PädagogInnen. (Auffallend: 83% der TeilnehmerInnen, die auf diese Problematik eingehen, arbeiten bei einem privaten Träger!) Bei 8% der Befragten handelt es sich um PädagogInnen und Assistenzkräfte, die in elementarpäda- gogischen Waldeinrichtungen arbeiten. Auffallend dabei ist, dass es dem Personal in diesen Einrich- tungen anscheinend leichter fällt, den Kindern den gewohnten Alltag zu ermöglichen. Auf Grund der Arbeit im Freien sowie eines großen Geländes ist genügend Luft und Freiraum ohnehin gewährleistet. Viele der Empfehlung seien in elementarpädagogischen Waldeinrichtungen schon ursächlich gege- ben. Auch, dass die Waldeinrichtungen aus einer bzw. maximal zwei Gruppen bestehen, kommt ihnen derzeit zu Gute. Auffallend ist, dass diese Befragten zwar dieselben Herausforderungen und Belas- tungen beschreiben, wie ihre KollegInnen, die „Indoor“ arbeiten, jedoch keine von ihnen weitere oder konkretere Maßnahmen fordert. Fazit Abschließend lässt sich festhalten, dass die Arbeit im elementaren Bildungsbereich für viele eine besonders große Herausforderung darstellt, aber die Situation auch sehr unterschiedlich wahrgenom- men wird und daher auch unterschiedlich mit ihr umgegangen wird. So ist auch das, was als heraus- fordernd erlebt oder als Verbesserung gefordert wird, nicht für alle das Gleiche. Dies birgt natürlich Konfliktpotential und trägt zur derzeitigen Unsicherheit bei, die insgesamt sehr hoch ist und sich auch im sehr weit verbreiteten Wunsch nach klaren Anweisungen und einheitlichen Regelungen ausdrückt. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir nun endlich sinngemäß gesellschaftlich näher zusammenrücken und Lösungen finden, die dauerhaft anwendbar sind. BEB Tirol fordert daher ein konkretes und praxistaugliches Konzept, in dem Maßnahmen festge- legt sind, die in den Einrichtungen auch tatsächlich – im Sinne der MitarbeiterInnen und der Kinder- umgesetzt werden können. Gerne stellen wir unsere Expertise für ein solches Konzept zur Verfügung und würden es sehr begrüßen in weitere Planungsschritte einbezogen zu werden.